Dekubitus

More is Possible, 25.03.2024

Wir wollen nicht zu tief oder wissenschaftlich in das Thema Dekubitus eintauchen - unser Hauptziel ist es, euch einen Überblick darüber zu geben, um was es sich dabei handelt, aber noch wichtiger, Informationen darüber zu geben, wie in erster Linie einen Dekubitus zu vermeiden und in zweiter Linie, wie richtig zu reagieren, wenn er dieser auftritt. 

Um es klar zu sagen, fast jeder Mensch, der von einer Rückenmarksverletzung (SCI) betroffen ist und eine eingeschränkte Sensorik unterhalb der Läsion hat, wird hin und wieder mit diesem Thema zu kämpfen haben. Das Wichtigste, was wir euch wünschen ist, dass ihr hoffentlich nie wegen eines Dekubitus im Krankenhaus landet, denn das ist ein langwieriger Prozess, der sehr unangenehm, schmerzhaft, langweilig und gefährlich ist - was einige von uns schon erlebt haben.

Unter "Nützliche externe Links" (weiter unten) findet ihr verschiedene Websites, Artikel, etc., die ebenfalls sehr nützlich sein könnten.

Zusammenfassung über Dekubitus

Druckgeschwüre der Haut, auch Dekubitus genannt, gehören zu den Dingen, mit denen sich Menschen mit eingeschränkter Sensorik (meist verursacht durch Rückenmarksverletzungen oder andere neurologische Erkrankungen) im Alltag auseinandersetzen müssen.

Um es kurz zu machen  - die zwei wichtigsten Dinge die ihr  tun könnt, um einen Dekubitus zu vermeiden, sind:

  • Regelmässig den Druck von den gefährdeten Stellen nehmen.
  • Regelmässige Inspektion der Haut an gefährdeten Stellen durch visuelle (Anschauen) und haptische (Abtasten mit den Fingern) Inspektion.

Wenn du eingeschränkte Arm- und/oder Fingerfunktionen hast, kann es natürlich sein, dass du eine andere Person brauchst, die dies tut oder dir zumindest dabei hilft - aber vergiss nicht, dass du die Verantwortung trägst.

Anfällige (gefährdete) Bereich: [2]

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Der Grund dafür - Eingeschränkte Sensorik

Aufgrund nicht oder nur teilweise vorhandener Sensorik unterhalb der Läsion ist der Körper nicht in der Lage, dem Gehirn mitzuteilen, ob sich eine Position unangenehm oder gar schmerzhaft anfühlt. Das Gehirn hat also keine Ahnung, was da unten im Körper vor sich geht, und kann daher nicht darauf reagieren und den zuständigen Muskeln sagen, sie sollen den Körper bitte in eine weniger unangenehme Position bringen und so den Druck auf diesen Teil abbauen.

Einige von euch werden jetzt zu Recht sagen, dass sie es z.B. an der erhöhten Spastik merken, wenn sie sich anders positionieren müssen. Für diejenigen unter euch, die unter Spastik leiden, kann dies ein sehr hilfreiches Werkzeug sein - dennoch sind die genannten und die folgenden Punkte wichtig.

Regelmässig Druck von den gefährdeten Bereichen nehmen

Wahrscheinlich  habt ihr  in der Reha schon oft gehört, dass ihr im Rollstuhl regelmäßig entlasten sollt, z. B. indem ihr euch alle 15-20 Minuten für mindestens 30 Sekunden, besser noch 1 oder 2 Minuten im Rollstuhl mit den Armen abstützt.  Aber oft wissen die Betroffenen nicht genau, warum das so wichtig ist - und wenn man nicht genug über etwas weiss, nimmt man es oft nicht ernst genug. Und so kommt es, dass ca. 50% der SCI-Patienten im Laufe ihres Lebens mindestens einmal einen schweren Dekubitus erleiden, und das oft nicht nur selbstverschuldet, sondern auch aufgrund mangelnder Schulung und Information seitens der Fachleute (Reha und nach der Reha).

Warum also alle 15 - 20 Minuten? - Es herrscht ein ständiger mechanischer Druck auf die Haut und das Gewebe von innen (Knochen) und aussen (z.B. harter Untergrund), der höher ist als der Blutdruck der Blutgefässe selbst, die für die Durchblutung dieses Bereichs zuständig sind. Dadurch kann das Blut nicht mehr wie gewohnt durchkommen und das Gewebe und die Muskeln werden nicht mehr ausreichend durchblutet. Und wenn dieser Druck über 40 Minuten ohne Unterbruch anhält, kann (nicht wird) das schon ausreichen, um das Gewebe dauerhaft zu schädigen....

Mit diesem Hinweis wollen wir keine Angst machen, sondern darauf hinweisen, dass es gute Gründe gibt, dies zu bedenken.

Wie lange man im Rollstuhl sitzen, auf dem Rücken im Bett liegen, oder was auch immer tun kann, ohne einen Dekubitus zu bekommen, hängt von vielen verschiedenen Dingen ab, wie z.B. der Durchblutung im Allgemeinen, der vorhandenen Funktion des Körpers und so weiter.

Wir sind nicht die Experten - aber sprecht mit den Experten, euren Pflegern, Therapeuten, Ärzten und holt euch das Wissen von ihnen - das wird euch ebenfalls helfen.

Normale Situation der Haut:

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Entwicklung eines Druckgeschwürs:

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Liste der verschiedenen Schichten:

  1. Knochen
  2. Muskulatur
  3. Fettgewebe
  4. Blutgefässe
  5. Unterhaut
  6. Oberhaut
  7. eingeklemmtes Blutgefäss
  8. Entstehender Dekubitus durch
  9.  - entstehenden Druck [2]

Wie findet man heraus, ob etwas in die falsche Richtung geht?

Regelmässige Inspektion der gefährdeten Hautstellen durch visuelle (Anschauen) und haptische (Abtasten mit den Fingern) -Inspektion.

Was können Warnsignale sein?

Visuell:

  1. Die Haut und/oder das Gewebe sind gerötet oder sogar rot
  2. Die Haut und das Gewebe sehen dunkel aus
  3. Offene Hautstelle (Wunde)

Haptisch:

  1. Die Haut fühlt sich rau an
  2. Die Haut fühlt sich warm oder sogar heiss an
  3. Die Haut und das Gewebe fühlen sich anders an als auf der anderen Seite (z.B. Problem am linken Sitzbein, vergleiche es mit dem rechten Sitzbein im gleichen Bereich)
  4. Offene Hautstelle (Wunde)

Andere:

  1. Eine aufkommende Spastik
  2. Ungewöhnlich starkes Schwitzen

Wie eine Druckstelle und dann ein Dekubitus entsteht /Stadien des Dekubitus

Ein Dekubitus beginnt immer mit einer geröteten Hautstelle!

Normaler Zustand der Haut

Normaler Zustand der Haut (Normalbefund)

Der Finger wird entfernt und die Verfärbung der Druckstelle verschwindet nach einiger Zeit.

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Beginnender Druckstelle

Die Druckstelle bleibt gerötet, auch wenn man den Druck wegnimmt.

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Klassifizierung des Dekubitus

Normaler Hautzustand

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Grad 1: Eine Rötung, die sich nicht wegdrücken lässt → kann zu Hause mit den richtigen Verbänden und Desinfektionsmitteln behandelt werden / holen Sie professionellen Rat ein

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Nicht wegdrückbare Rötung bei intakter Haut, meist über einem knöchernen Vorsprung. Bei dunkel pigmentierter Haut ist das Verblassen möglicherweise nicht oder etwas weniger deutlich sichtbar. Die Farbe kann sich jedoch von der umgebenden Haut unterscheiden. Der Bereich kann schmerzhaft, verhärtet, weich, wärmer oder kälter als das umgebende Gewebe sein.

Grad 2: Teilweiser Verlust der Haut → kann zu Hause mit den richtigen Verbänden und Desinfektionsmitteln behandelt werden / holen Sie professionellen Rat ein

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Teilweise Zerstörung der Haut bis in die Dermis, die als flaches, offenes Geschwür mit rotem bis rosafarbenem Wundgrund ohne Beläge erscheint. Kann auch als intakte oder offene/gerissene serum gefüllte Blase auftreten. Diese geht später in ein glänzendes oder trockenes, flaches Ulkus ohne nekrotisches (abgestorbenes) Gewebe über.

Grad 3: Verlust der Haut → kann allenfalls  zu Hause mit den richtigen Verbänden und Desinfektionsmitteln behandelt werden (professionelle Beratung einholen) oder muss sogar im Krankenhaus behandelt werden

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Zerstörung aller Hautschichten, die darunter liegende Fettschicht kann sichtbar sein, aber keine Knochen, Muskeln oder Sehnen. Vorsicht ist geboten: Es kann ein Belag vorhanden sein, der die Tiefe der Gewebeschädigung verschleiert. Es können Tunnel und Hohlräume vorhanden sein, die von aussen schwer zu sehen und zu fühlen sind. Ein Dekubitus Grad 3, je nach Lage, kann darüber hinaus extrem tiefe "Grad-3-Wunden" an besonders fettleibigen Körperstellen erzeugen.

Knochen und Sehnen sind nicht sichtbar oder tastbar.

Grad 4: Vollständiger Verlust von Haut und/oder Gewebe → muss im Krankenhaus behandelt werden

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Vollständiger Gewebeverlust mit freiliegenden Knochen, Sehnen oder Muskeln. Belag und Schorf (krustenartig getrocknetes, abgestorbenes Hautgewebe) können vorhanden sein. Häufig sind Tunnel und Hohlräume vorhanden. Die Tiefe eines Druckgeschwürs des Grades 4 hängt von der Lokalisation ab. Wunden des "Grades 4" können sich auf Muskeln oder unter oder stützende Strukturen (Faszien, Sehnen oder Gelenkkapseln) ausbreiten und leicht Osteomyelitis oder Osteitis (bakterielle Infektion, Knochenentzündung) verursachen. Knochen oder Sehnen sind sichtbar oder tastbar.

Kann nicht mehr klassifiziert werden → muss im Krankenhaus behandelt werden

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Vollständiger Haut- und Gewebeverlust, unbekannte Tiefe der Wunde mit Belag (gelb, dunkelgelb, grau, grün oder braun) und Wundkruste/Schorf im Wundbett. [1]

Behandlung von Dekubitus in verschiedenen Stadien

Die Behandlung eines Dekubitus kann entweder konservativ (Grad 1-3) oder chirurgisch (Grad 3 und 4) erfolgen. Das bedeutet, dass Sie bei einem Dekubitus Grad 3 oder 4 wahrscheinlich einen stationären Aufenthalt in einer spezialisierten Klinik benötigen. Je schwerer ein Dekubitus, desto länger die Zeit bis zur Heilung - es ist also sinnvoll, es nicht so weit kommen zu lassen.

Konservative Behandlung

Bei der konservativen Behandlung kommt es  auf das richtige Reinigungs- und Verbandsmaterial an, um eine Infektion der Wunde zu vermeiden und damit deren Heilung zu unterstützen.

Behandlungsprinzipien: TIME - es braucht Zeit!

  • T = Tissue removal (Wunde reinigen)
  • I= Infection control (die Infektion unter Kontrolle bringen)
  • M= Moisture management (Wundsekret aufnehmen, Granulation anregen)
  • E= Edge protection Epithelialization (Schutz des Wundrandes und Epithelisierung)

Chirurgische Behandlung

Nimmt ebenfalls viel Zeit in Anspruch und bedeutet höchstwahrscheinlich wochenlange Bettlägerigkeit - unserer Meinung nach nichts, was sich zu erleben lohnt. [2]

Was kann man tun, um einen Dekubitus zu vermeiden oder schneller zu heilen, wenn ein Dekubitus auftritt?

Punkt eins hilft speziell bei der Vermeidung oder Heilung von Dekubitus am Steissbein und an den Sitzbeinen - die Punkte zwei bis sechs sind bei jeder Art von Dekubitus hilfreich.

1. Positionierung im Rollstuhl ändern

Je nach motorischen Fähigkeiten sind für Querschnittgelähmte und Tetraplegiker folgende Möglichkeiten zur Entlastung des Steissbeins und der Sitzbeine möglich:

  • Sitzende Position im Rollstuhl ohne spezielle Druckentlastung (vermeiden, wenn bereits ein Deku vorhanden)
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  • Druckentlastung durch Vorbeugen des Oberkörpers
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  • Gewichtsentlastung durch Beugung zur Seite erzeugt Druckentlastung des gegenüberliegenden Gesässseite
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  • Druckentlastung durch Abstützen auf dem Bett, Sofa oder Tisch
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  • Heben im Rollstuhl - es ist sinnvoll, die verschiedenen Möglichkeiten zu variieren, um die Schultern zu schonen.
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  • Schon eine leichte Neigung nach vorne hilft, den Druck auf das Gesäss zu verändern.
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  • Wenn die Rumpfstabilität eingeschränkt ist, kann das Einhaken mit dem Arm hilfreich sein, um das Gewicht zur Seite zu verlagern und den Druck zu verringern.
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  • Positionswechsel durch erfahrene Personen können ein Hilfsmittel sein.
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[2]

2. Versuchen Sie, im Laufe des Tages mehr Pausen in Bauch- oder Seitenlage einzulegen - je nachdem, wo sich der Dekubitus befindet, um Druck auf den Dekubitus-Bereich zu vermeiden.

Lagerungen, die helfen können, einen Dekubitus zu vermeiden und eine bequeme Position einzunehmen:

  • Bauchlage
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  • Rückenlage
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  • Seitenlage
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  • 30 Grad Körper-Positionierung
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  • 135 Grad Körper-Positionierung
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  • Positionierung des Oberkörpers
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  • Positionierung der Füsse
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 [2]

3. Wenn Sie bei Ihrer täglichen Routine dichte Oberflächen benutzen, z. B. beim Toilettengang, beim Duschen, beim Autofahren usw. - versuchen Sie, zusätzliche Kissen zu verwenden, die die Oberfläche noch weicher machen. Das hilft sehr.

4. Verwenden Sie vorübergehend ein noch weicheres Kissen - vielleicht ist es sogar möglich, es für eine Weile auszuleihen oder zu mieten.

5. Essen Sie während dieser Zeit mehr Eiweiss, das hilft Ihrem Körper, Haut und Gewebe schneller zu heilen

6. Wechseln Sie während des Schlafs die Position, um die Zeit zu begrenzen, in der der Druck auf denselben Bereich zu lange anhält.

Wie man sich in den Rollstuhl setzt und wie man im Allgemeinen sitzt

Druckverhältnisse in sitzender Position ohne Querschnittlähmung

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Druckverhältnisse in Sitzposition für die meisten Menschen mit Querschnittlähmung, welche meist eine eingeschränkte Rumpfstabilität (um aufrecht zu sitzen) und weniger Gewebe um Hüfte, Gesäss und Bein haben

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Das Sitzen im Bett mit erhöhtem Kopfteil verursacht Scherkräfte, die zu Dekubitus führen können

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[2]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch Druckentlastung auf der einen Seite und Minimierung der Scherkräfte auf der anderen Seite (z.B. durch den Einsatz von Luftkissen beim FES-Cycling oder ABT), Dekubitus vermieden werden kann.

Nützliche externe Links

Die Manfred-Sauer-Stiftung hat zusammen mit dem Schweizer Paraplegiker-Zentrum die folgenden Artikel zusammengestellt, die aus unserer Sicht einen guten Überblick und auch eine gute Tiefe haben, damit sich Betroffene im Falle eines Dekubitus informieren können.

Quellenangaben

[1] European Pressure Ulcer Advisory Panel and National Pressure Ulcer Advisory Panel. Prevention and Treatment of pressure ulcers: quick reference guide. Washington DC; National Pressure Ulcer Advisory Panel; 2009 (Edsberg et al., 2016)

[2] Koch Hans Georg and Geng Veronika. Leben mit Querschnittslähmung (Band 2). Schweizer Paraplegiker-Vereinigung and Manfred-Sauer-Stiftung , 2021.

[3] Konrad,Tanja. Prävention von Druckstellen (Dekubitus) bei Querschnittlähmung. Der-Querschnitt.de, 27.01.2023, https://www.der-querschnitt.de/archive/796 .

[4] Konrad,Tanja. Entstehung von Druckstellen (Dekubitus) bei Querschnittlähmung. Der-Querschnitt.de, 27.01.2023, https://www.der-querschnitt.de/archive/789.

[5] Konrad,Tanja. Dekubitus-Behandlung bei Querschnittlähmung. Der-Querschnitt.de, 24.04.2023, https://www.der-querschnitt.de/archive/4130.

[6] Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ). Leben mit einer Querschnittslähmung. 2. Auflage 2022 (digital), Schweizer Paraplegiker-Zentrum, Nottwil,  https://www.paraplegie.ch/patientenedukation.